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Acht Forderungen

Im Rahmen der dritten Fachtagung „Sehen im Alter“ haben die beiden Initiatoren des Aktions­bündnisses Deutscher Blinden- und Seh­behinderten­verband e.V. (DBSV) und BAGSO – Bundesarbeits­gemeinschaft der Senioren­organisationen e.V. ein gemeinsames Forderungspapier erarbeitet.

Darin fordern beide Verbände die Bundesregierung mit Nachdruck zu verstärkten Bemühungen in acht Themenfeldern auf, in denen blinde und sehbehinderte ältere Menschen bislang viel zu oft Benachteiligungen erfahren.

Um die Teilhabe sehbehinderter und blinder Seniorinnen und Senioren zu sichern, fordert das Aktionsbündnis:

1. Information, Beratung und Vernetzung

Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht auf Information und Beratung. Hilfe zur Selbsthilfe sowie angemessene Unterstützung sind die Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes und möglichst selbstständiges Leben.

Deshalb müssen unabhängige Beratung und auch psychosoziale Unterstützung finanziell abgesichert werden. Diese Beratung muss qualitätsgesicherte Selbsthilfeangebote, Fachberatungen und alle weiteren Unterstützungsangebote rund ums Sehen sinnvoll miteinander vernetzen. Die Selbsthilfe muss in die Entwicklung institutioneller Gesundheitsportale eingebunden werden. Vernetzende Angebote sind zu stärken.

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2. Forschung

Augenkrankheiten und ihre Folgen dürfen kein vernachlässigtes Forschungsgebiet bleiben.

Die krankheitsorientierte Grundlagenforschung sowie Forschung zu Versorgung in der Augenheilkunde müssen ausgebaut werden, um trotz des steigenden Bedarfs der alternden Bevölkerung Sehverlust zu vermeiden bzw. gutes Sehen wiederherstellen zu können. Versorgungsforschung zur Situation von Menschen mit Sehbehinderung, speziell auch von Menschen im höheren Alter, und zum Zugang zu medizinischer und nicht-medizinischer Unterstützung soll unter Einbindung aller an der Versorgung beteiligten Akteure forciert werden. Ziel ist eine echte Weiterentwicklung der Prävention, Therapie und Rehabilitation. Spitzenforschung in diesen Bereichen muss zum Beispiel in einem deutschen Forschungszentrum mit mehreren Standorten strategisch programmatisch ausgerichtet werden. Kooperationen mit forschungsorientierten Wirtschaftsunternehmen sollen von Vertretungen der Selbsthilfe begleitet werden.

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3. Prävention, Vorsorge, Früherkennung

Wir fordern eine bundesweite Aufklärungskampagne zu den Volkskrankheiten Altersabhängige Makula-Degeneration (AMD), Glaukom und diabetische Retinopathie.

Kampagnen wie „Jede Woche zählt!“, die zeigt, dass der verzögerte Einstieg in die Therapie der neovaskulären altersabhängigen Makula-Degeneration zu vermeidbarem dauerhaften Sehverlust und Erblindung führt, müssen gefördert werden. Aufklärungsmaßnahmen müssen neben der Früherkennung und Vorsorge auch Warnsymptome und Handlungsempfehlungen einschließen.

Um Vorsorge gegen Sehverlust im Alter zu etablieren, fordern wir zudem Anreize und Maßnahmen, um spätestens ab dem 55. Lebensjahr zu regelmäßigen Augenuntersuchungen zu motivieren.

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4. Medizinische Versorgung

Der verzögerte Zugang zu medizinischer Versorgung kann vermeidbaren Sehverlust verursachen. Deshalb darf die Versorgung nicht vom Wohnort, von der Wohnsituation oder von einer Pflegebedürftigkeit abhängen. Wir fordern eine gesicherte augenärztliche Betreuung auch für Menschen in ländlichen Regionen sowie in Pflegeeinrichtungen.

Zur Verbesserung der augenärztlichen Versorgung in Senioreneinrichtungen fordern wir zudem staatliche Unterstützung einschließlich der Finanzierung von Modellprojekten.

Erforderliche Vorsorge- und Gesundheitsleistungen sowie Hilfsmittel, einschließlich Sehhilfen, müssen, abgesehen von gesetzlichen Zuzahlungen, ohne Eigenanteil bereitgestellt werden.

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5. Rehabilitation

Rehabilitation kann den Umgang mit einem Sehverlust erleichtern und Beschwerden wie auch Folgeschäden verringern. Wie nach einem Schlaganfall oder einer Hüftoperation muss deshalb auch nach einem schwerwiegenden Sehverlust die Überweisung in eine Rehabilitationsmaßnahme zum Standard-Angebot werden. Pilotprojekte zur konzeptionellen Entwicklung solcher Maßnahmen müssen gefördert werden.

Wir fordern ausreichende und herstellerunabhängige Angebote, um den Unterstützungs- und Hilfsmittelbedarf von sehbehinderten Menschen festzustellen. Die ermittelten Bedarfe etwa bei der Anpassung vergrößernder Sehhilfen und anderer Hilfsmittel sowie Schulungen in Orientierung und Mobilität (O&M) oder in lebenspraktischen Fähigkeiten (LPF) müssen von den Kostenträgern anerkannt und den Betroffenen, abgesehen von gesetzlichen Zuzahlungen, ohne Eigenanteil zugänglich gemacht werden.

Um eine bedarfsgerechte und qualitätsgesicherte Versorgung zu gewährleisten, müssen Honorare, Erstattungspreise und Festbeträge von den Leistungsträgern in jeweils angemessener Höhe finanziert werden.

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6. Ambulante, teilstationäre und stationäre Pflege

Um allgemein geltende Grundsätze, wie bedarfsgerechte Förderung, aktivierende Pflege und Schutz der zu pflegenden Person, umsetzen zu können, muss die Sehbeeinträchtigung einer zu pflegenden Person konsequent berücksichtigt werden. Voraussetzung dafür sind aktuelle augenärztliche Befunde, insbesondere zu Beginn einer Pflege. Wir fordern deshalb die stärkere Verankerung des Themas Sehen in der Pflegeanamnese und -dokumentation.

Menschen mit Sehbeeinträchtigung dürfen nicht aufgrund des damit verbundenen höheren Aufwandes (Beförderung, zusätzlicher Personalaufwand, Begleitung, zusätzliche Erklärungen, Anpassung von Materialien für gemeinsame Aktivitäten etc.) von Angeboten ausgeschlossen werden. Die Unterstützung bei der Nutzung von Hilfsmitteln muss gewährleistet sein. Maßnahmen zur Verbesserung der Barrierefreiheit in häuslicher Umgebung wie auch in Einrichtungen müssen Sehbeeinträchtigungen berücksichtigen.

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7. Fachkräftegewinnung, Aus- und Weiterbildung

Der hohe und weiter steigende Bedarf an Fachkräften darf die Probleme in der Augenheilkunde, Rehabilitation und Pflege nicht noch verstärken.

Konkret fordern wir ein Konzept zur Gewinnung, Qualifizierung und Weiterbildung von Fachkräften zur Verbesserung der Versorgungssituation in Medizin, Rehabilitation und Pflege. Die Ausbildung von Rehabilitationsfachkräften für blinde und sehbehinderte Menschen muss aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, um dauerhaft dem steigenden Fachkräftebedarf in diesem Bereich gerecht zu werden.

Das Thema Sehen muss in Gesundheits- und Pflegeberufen stärker verankert werden. Wir fordern dafür eine Anpassung der entsprechenden Aus- und Weiterbildungsprogramme. Zudem müssen die Themen Pflege, Rehabilitation und Teilhabe in der augenärztlichen Aus- und Weiterbildung angemessen berücksichtigt werden.

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8. Digitalisierung in Medizin und Pflege

Menschen mit Seheinschränkung, auch Seniorinnen und Senioren, müssen bei der fortschreitenden Digitalisierung der Bereiche Medizin und Pflege stärker in den Fokus gerückt werden.

Wir fordern die umfassende Barrierefreiheit aller digitalen Gesundheits- und Pflegeanwendungen und den barrierefreien Zugang zu den Informationen wie in elektronischen Verordnungen und in der digitalen Patientenakte. Digitale Medizinprodukte, die von Patientinnen und Patienten verwendet werden, zum Beispiel Blutzuckermessgeräte, müssen auch für Menschen mit Sehbeeinträchtigung nutzbar sein. Dringend nötig sind zudem Schulungsangebote für sehbehinderte Seniorinnen und Senioren im Umgang mit digitalen Angeboten.

Digitale Technik und Telemedizin bieten viele Chancen und haben einen großen Nutzen. Dennoch muss der Anspruch auf den persönlichen Kontakt mit medizinischen und therapeutischen Fachkräften bestehen bleiben.

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Berlin am 24. Juni 2021

Statement des Aktionsbündnis-Mitglieds Inclusion AG 

„Barrierefreiheit ist mehr als rollstuhlgerecht und gerade für ältere Menschen mit Sehproblemen wichtig, auch in Hinblick auf Treppensicherheit und Sturzgefahr.“

Inclusion AG